Vernissage: Dienstag 14. November 2023 ab 18 Uhr. Es spricht: Veronika Schöne, Kunsthistorikerin.
Zur Ausstellung erscheint ein Leporello-Katalog mit Texten von Susanne Sauerbrunn und Veronika Schöne.
„Allein bin ich gut, zu zweit eine Katastrophe. Ich kann nicht allein sein.“
Obwohl diese Feststellung Janssens zu den bekanntesten und meistzitierten gehört, sind Paarkonstellationen alles andere als selten im Oeuvre von Horst Janssen. Sein Fühlen und Sehnen drehte sich um die Zweisamkeit ebenso wie sein künstlerisches Denken. Inhaltlich wie formal dienen ihm paarweise Gruppierungen sowohl als kompositorisches Gerüst wie auch als inhaltliche Aussage.
Von spannungsvollen zwischenmenschlichen Beziehungen bis hin zu explizit sexuellen Darstellungen reichen die inhaltlichen Variationen, von Straßenszenen mit paarweise gruppierten Spaziergängern bis hin zu freigestellten Paaren, von vertikalen bis zu horizontalen Kompositionen reichen die formalen Variationen.
Die paarweisen Konstellationen umfassen vor allem die von Begehren geprägten Begegnungen von Mann und Frau als Freier und Prostituierte. Auch das Motiv des Tanzens bzw. der tänzerischen Umkreisung reicht einerseits in diesen Bereich hinein, dient andererseits aber auch als fast metaphorische Paraphrase sozialer Konstellationen. Janssen versteht es meisterhaft, sexuelles Begehren und soziales Verhalten in Bewegungen und Gebärden zu übersetzen. Koboldartige kleine Ungeheuer und gnomartige Wesen paraphrasieren das Animalische triebhafter Heimsuchung ebenso wie die Vergeblichkeit des Verlangens bis hin zur Lächerlichkeit.
Solche kleinen Kobolde erweitern als Assistenzfiguren andere Konstellationen des Begehrens zu kompositorischen Dreiklängen. Ihre wahlweise menschliche oder tierische Gestalt liefern die entsprechenden Kommentare zu den Kompositionen, in deren Mitte eine hochaufragende Nackte steht, die von den Figuren umworben, geneckt oder bedroht oder wie eine Puppe präsentiert und dargeboten wird.
Interessant sind auch die explizit sexuellen Darstellungen, die oftmals ins Mechanistisch-Gewalttätige hineinreichen: Die Frau liegt ausgebreitet dem Manne dargeboten da, der, meistens gesichtslos und auf einzelne Körperteile reduziert, manchmal in tierischer Gestalt, ihr Lust bereitet und sie dabei gleichzeitig zum Objekt degradiert. Die Darstellungen bewegen sich zwischen mechanistischer Entzauberung und sadomasochistischer Entgrenzung des Liebesspiels, zwischen humorvollem Kommentar zur grotesken Fortpflanzungsmethode menschlicher „Steckertiere“ und abgründigen, an George Grosz’ „John, der Frauenmörder“ erinnernde Zerstückelungsphantasien.
Die Ausstellung zeigt, wie bei Janssen sehnsüchtiges Begehren und bildnerische Syntax ineinandergreifen: Er lässt seinen Phantasien nicht einfach nur thematisch und motivisch freien Lauf, sondern verleiht ihnen eine kompositorische Struktur, die sein Werk auf einer künstlerischen Ebene analytisch lesbar macht.
Idee und Konzept: Veronika Schöne.