„Zur Kopie: das Hineinschlüpfen
in eine fremde Handschrift – das Zu- und Hinhören auf die
Mitteilung eines Weitvorausgeeilten – das Vergessen des eigenen Ichs -, nun das ist: das
Sich-selbst-Verlierenwollen – das Sich-selbst-Vergessen, um
sich immer auf’s neue wiederzufinden.“
(Horst Janssen)
Janssens
„Stil des Stilpluralismus“ (Petra Roettig), seine freie und
phantasievolle Verarbeitung verschiedener Vorbilder zeugt von einer
großen Sensibilität für den inneren Zusammenhang von Stil, Themen
und Techniken. Keiner dieser Bereiche ist ohne die anderen zu denken.
Janssens Vorbilder sind die großen
Meister der Kunstgeschichte. Es
ist vor allem das graphische Werk dieser „adoptierten Ahnen“ (so
der Titel einer Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle 2001), das
ihn fasziniert und tiefe Spuren im eigenen Schaffen hinterlässt:
Rembrandt und Runge, Füssli und Friedrich, Klee und Kirchner,
Menzel, Ensor und Schiele, aber auch Picasso, Oelze und Dubuffet –
Janssen arbeitet sich durch verschiedenste Stilhöhen durch.
Die
noch ganz am Expressionismus Ernst Ludwig Kirchners orientierten
frühen Holzschnitte werden bald von den ersten Radierungen abgelöst.
Sie verraten eine deutlich an Jean Dubuffets „Art Brut“
angelehnte Bildsprache, die roh und flächig ist. Richard Oelzes
später Surrealismus inspiriert den jungen Janssen zu einem
spinnwebzarten Feinstrichstil, den er in der Zeichnung und der
Radierung umsetzt. Deutliche Spuren hinterlässt auch der frühe,
surreal-satirische Paul Klee in seinem Werk.
Janssens
Bildfindungen sind freie und äußerst phantasievolle Adaptionen
dieser stilistischen Vorbilder, keine bloßen Nachahmungen. Geradezu
klassische Anleihen macht Janssen bei den Alten Meistern, bei
Brueghel und Botticelli, Caravaggio und Friedrich.
In
ehrfurchtsvoller Anmaßung umkreist er sie, zitiert sie, fühlt sich
in Stil und Strich hinein –
eine
„Nachahmung des als gültig Erkannten“ (Gerhard Schack,
Zwiesprache, S. 6). Seine Kopien sind „nachzeichnendes Umgestalten
und überzeichnende Veränderung“, keine rein mechanische
Reproduktion.
Verschiedene Vorbilder inspirieren ihn
auch zu unterschiedlichen Themen: Für seine
Landschaften stehen die Großen dieser Gattung Pate – Claude
Lorrain, Hercules Seghers oder Jan van Goyen, für seine
Erotika Egon Schiele. Janssens Selbstbildnisse
entsprechen nicht von ungefähr sowohl im Stil als auch im virtuosen
Umgang mit der Radierung den Selbstporträts von Rembrandt, der wie
kein zweiter Mimik, Gestik, Rollenspiel und Selbstbefragung vor dem
Spiegel ausprobiert hat.
Der Blick auf
menschliches Gebaren, auf seine Skurrilitäten, aber auch in seine
Abgründe zeigt sich in seiner Vorliebe für die „Capricci“
Jacques‘ Callots und Francisco de Goyas, aber auch für die
„schwarze Romantik“ Johann Heinrich Füsslis, dem er gleich einen
ganzen Zyklus widmet.
Durch seinen Sammler und Förderer
Gerhard Schack begegnet er den japanischen Meistern Katsushika
Hokusai, Utagawa Hiroshige und Kyôsai Kawanabe. Ihre virtuose
Beherrschung des Farbholzschnitts, aber auch die Nähe von Bild und
Schrift in der Kalligraphie haben nicht nur den Bildkünstler,
sondern auch den Schriftsteller Janssen fasziniert und lösen eine
wahre Flut an kreativen Adaptionen fernöstlicher Stilhöhen und
Bildwelten aus.