„Die
Sehnsucht: ‚unkontrolliertes‘ Säurepantschen, Virtuosität im
‚Atmosphäre‘-Machen, wühlen im Feuchten und Wolkigen. …. Denn
diese kleinen Synonyme für Pfützen und Bäche, für dunkles Moor
und helle Horizonte müssen wie von selbst entstehen im Säurebad.
Da soll wenig Platz sein für willentliches Arrangieren.“
(Horst
Janssen über die Radierung)So
wie ihn bestimmte Persönlichkeiten und Perioden der Kunstgeschichte
zu bestimmten Themen anregen, beflügeln auch bestimmte Techniken
Janssens Phantasie, die er in ungewöhnlicher und eigenständiger
Weise für sich adaptiert. Höchste
Vollendung erlangt er als Zeichner und Radierer. Aber auch im
Holzschnitt, der Lithographie und der Photographie zeigt sich sein
experimenteller Geist. Auch seine Aquarelle, Tuschzeichnungen und
lavierten Federzeichnungen sind ausgesucht delikat.
Lithographie
Von
1952 bis 1956 entwirft Janssen für den Aschaffenburger
Buntpapierfabrikanten Guido Dessauer Gebrauchsgraphik, Post- und
Grußkarten und porträtiert seine Familie, wofür ihm die
fabrikeigene Lithowerkstatt zur Verfügung steht. Daneben entstehen
eigene Arbeiten, in denen Janssen zum ersten Mal mit der Druckgraphik
experimentiert. Im gekonnten Einsatz der Linie, den thematischen
Variationen und dem freien Umgang mit Vorbildern wie Matisse und
Picasso, Klee und Dubuffet zeigt sich seine virtuose Vielfalt.
Holzschnitt
Mit den
Holzschnitten findet der noch junge Janssen in den 1950er-Jahren zu
einem eigenen Stil, der ihn mit einem Schlag bekannt macht. Ihnen
kommt im Gesamtwerk eine in jeder Hinsicht herausragende Stellung zu.
Die vergleichsweise kleine Werkgruppe zeugt von einer
frühen Stilbildung, einer eigenständigen Verarbeitung der
kunsthistorischen Vorbilder und einer raffinierten graphischen, ins
Abstrakte tendierenden Formensprache, die er später nicht wieder
aufgegriffen hat.
Die ersten, stilistisch und
motivisch von den Brücke-Künstlern und Edvard Munch inspirierten
Holzschnitte beziehen „materialgerecht“ die organisch gewachsene
Maserung des Druckstockes mit ein. In den beiden Werkserien der
großformatigen Farbholzschnitte von 1957 und 1961 findet Janssen
dann zu einer individuellen Handschrift, in der grafische Klarheit,
delikate Farbigkeit und dekorative Bildlichkeit übereinkommen.
Radierung
Die
wichtigste Technik im Oeuvre Horst Janssens ist die Radierung, die er
1957 von Paul Wunderlich erlernt. In rund 35 Jahren
entstehen etwa 3000 Arbeiten, darunter 47 Zyklen. Der
Verzicht auf Vorzeichnungen, das direkte Ritzen in die Druckplatte
und der ungewöhnliche Einsatz von Farbe zeugen von seinem
experimentellen Erfindergeist, mit dem er diese traditionelle Technik
für sich adaptiert. Er lässt sich von der metallenen Druckplatte,
„die
mit ihren Höhen und Tiefen, Rillen, Ritzen und Noppen
vergleichsweise eine kleine Landschaft ist“,
zu Landschaften, aber auch zahlreichen anderen Themen inspirieren und
nutzt dafür die Eigenschaften
der Materialien.
Zeichnung
„Geschickte
Zeichner gibt’s vielewahre
Artisten des Zeichenstiftes gibt es Unmengen
Zeichner
sind wenige“
Janssen
zeichnet unentwegt. Es ist seine Art der Weltaneignung. Der Stift ist
die Verlängerung des Auges und Instrument des Geistes, er vermittelt
zwischen Realität und Phantasie. Janssen zeichnet aus der
Erinnerung, aber auch ganz konkret vor dem Objekt. Die Zeichnung ist
beides für ihn: das Festhalten des ersten Einfalls, der prima
idea,
und vollendetes Werk. Er fertigt flüchtige Skizzen und autonome
Arbeiten, oft kombiniert mit Aquarell und Tusche.
Aquarell und
Tusche
„Wenn
in meinem Metier irgendwo Planung, Wollen und Einübung zu nichts
führen, dann ist’s bei der lavierten Federzeichnung, dieser Pfütze
ungleich gefärbten Wassers, die den Einfall der federführenden
Hand einsumpft.“ Die wässrigen Medien des Aquarells und der
Tusche sind für Janssen unerschöfliche Anregung für seine
phantastischen Bildfindungen. Er lässt sich vom Eigensinn dieser
Techniken leiten und geht einen Dialog mit dem Zufall ein, den er
gleichwohl virtuos beherrscht.
Photographie
Für
Janssen ist die Photographie eine Ergänzung zum Zeichnen. In beiden
Medien geht es ihm um das genaue Sehen. Er fotografiert, was ihn auch
sonst beschäftigt: Selbstporträts, Stillleben und Landschaft. Zwar
experimentiert er nicht mit der Kameratechnik, wohl aber mit den
Ergebnissen: Die Photographien werden zum Ausgangspunkt einer
späteren Bearbeitung mit Feder, Stift, Farbe und Ätzung. Entstanden
ist ein experimenteller, ausgesprochen zeitgenössischer Werkkomplex,
der einen hochinteressanten Einblick in Janssens bildnerisches Sehen
gewährt.