Horst Janssen war vom fernen Osten fasziniert. Motive und Methoden asiatischer Kunst inspirierten ihn ein Leben lang. In unserer Online-Ausstellung stellen wir Janssens Auseinandersetzung mit Japan in seinen Werken, Postern und in Katalogen und Büchern vor.
Hier der wilde Janssen, dort das
würdevolle Japan. Hier die expressive Schraffur, dort die
disziplinierte Linie. Hier die aufgewühlte Selbsterkundung, dort die
anmutigen Gesellschaftsbilder. Janssen und Japan, das scheint auf
den ersten Blick eine Begegnung denkbar gegensätzlicher Temperamente
zu sein.
Dabei eröffnete die Kunst des Fernen
Ostens dem Multitalent zahlreiche Anknüpfungspunkte. Die
traditionellen Bildwelten und das formalisierte Ausdrucksrepertoire
waren Antrieb und Widerstand auf der Suche nach dem Eigenen. Die
strengen Stereotypen, die über Jahrhunderte hinweg das Alte in der
ritualisierten Wiederholung bewahrten, boten dem
traditionsbeflissenen Janssen eine Selbstvergewisserung an
hochgeschätzten Vorbildern, die nicht, wie im Westen, als geistlose
Nachahmung abgewertet wurden.
Japanische Stilhöhen und Bildsprachen,
Motive und Themen reizten ihn zu unterschiedlichen Formen der
Aneignung. Manchmal war es auch nur ein Wiedererkennen, weniger des
Motivischen als des Thematischen. „Wenn die Zügel der
stilistischen Angewohnheiten locker hängen, kann sich im Spiegel der
Phantasie manches zeigen, was sonst nicht vorkommt.“
Spielerische Aneignung und
phantasievolle Abwandlung führten zu phantastischen Permutationen,
die sich oft weit vom Vorbild entfernten.
„Was würde aus unserem Verstand, wenn alle Gegenstände das
wirklich wären, wofür wir sie halten (Lichtenberg)“, schrieb er
1974 in eine Zeichnung nach Hokusai. Der berühmte japanische Meister
war ihm Weggefährte bei der Erkundung des traditionsreichen
Terrains, das ihm so viel Respekt einflößte. Die Radierfolge
„Hokusai’s Spaziergang“ geht denn auch über das Fernöstliche in
Technik und Thema weit hinaus: „Janssens Spaziergang an der Hand
Hokusais durch vielfältige Provinzen der Zeichnung und der
Radierung“ nannte es treffend sein Freund und Sammler Gerhard
Schack.
Die Faszination war eine
wechselseitige: Ein knappes Dutzend Mal wurde Janssen in den
achtziger und neunziger Jahren in Japan ausgestellt. In Naoaki
Sakamoto fand er einen Freund und Förderer, der ihn in Bild und
Schrift seines eigenen Kulturkreises übersetzte. Das Zusammenfließen
von Zeichnen und Schreiben, von Bild und Buchstabe in der
fernöstlichen Kalligraphie kam dem bild- und wortgewaltigen Janssen
entgegen. Zehn
„Janssen-Bäume“ hat Nao dem Freund posthum
gewidmet und in vielfältigen Formen – vom kostbar gebundenen Buch
über lose Blätter in filigranen Umschlägen bis hin zu klassischen
Rollbildern – hat Nao Janssens Texte auf handgeschöpftem Papier
verewigt.