JANSSENS THEMEN

„Ich gehe nicht in die Landschaft, ich gehe ein in Landschaft und die Bilder, die ich aus der Landschaft ziehe, (…) ich ziehe sie absichtslos, genüßlich sanft schlürfend ein – und zurück wieder in meiner Burg zieht die Landschaft durch den Schlaf“. (Horst Janssen über die Landschaft)

Janssen ist berühmt für seine Porträts wie für seine Landschaften. Seine Innenwelten kommen am deutlichsten in den zahlreichen Selbstporträts zum Ausdruck, seine Obsessionen in seinen Erotika. Letztlich aber behandelt er alle Themen ebenso persönlich wie intensiv. Sein Blick führt unter die Oberfläche des Sichtbaren. Er offenbart verschiedene Wahrheiten, objektive, äußere, und subjektive, innere. Das macht seine Porträts so meisterlich, seine Erotika so leidenschaftlich und seine Naturbetrachtungen so beseelt.

Landschaft und Stillleben

Die Landschaft ist Sehnsuchtsort und Seelenspiegel und wird seit den 1970er-Jahren zu einem zentralen Thema bei Horst Janssen. Er setzt sie vorzugsweise in der Radierung um, „die mit ihren Höhen und Tiefen, Rillen, Ritzen und Noppen vergleichsweise eine kleine Landschaft ist“. Angeregt von ausgedehnten Spaziergängen und Streifzügen durch die Natur, in der Umgebung Hamburgs und der norddeutschen Marsch, aber auch von Reisen ins Tessin, nach Norwegen oder Paris, zeichnet Janssen nach der Natur und aus der Erinnerung.

Auch in seinen Stillleben begegnet sein detaillierter Realismus einer überbordenden Phantasie. Dosen und Schachteln, Stifte und Stempel, Knöpfe und Kronkorken werfen Schatten, als könnte man sie vom Blatt pflücken. Welke Blumen, faule Früchte, tote Tiere oder ausgelatschte Schuhe betrachtet Janssen voller Anteilnahme, aber auch nüchtern wie ein Naturkundler. Er treibt sein surreales Spiel mit der Wirklichkeit und verbindet das trompe l’Oeil mit dem Objet trouvé.


Porträt und Selbstporträt

Das menschliche Antlitz ist für Janssen Ort der Befragung. In zahlreichen Porträts von Vorbildern und Geistesgrößen, vertrauten Freunden und geliebten Frauen balanciert er Individuum und Typus meisterlich aus. Mit wenigen Strichen versteht er, das Charakteristische einer Persönlichkeit zu erfassen, und verrät dabei auch viel über sein Verhältnis zu den Porträtierten.

Auch der Blick auf die eigene Physis und Psyche ist genau, ja, regelrecht schonungslos. Kaum ein anderer Künstler hat sich selbst so oft festgehalten wie Horst Janssen. Ähnlich wie bei seinem großen Vorbild Rembrandt, zeugen auch Janssens Selbstporträts von einer Lust an Mimik und Maskerade, aber auch von einem geradezu schonungslosen Blick auf die eigenen Physis und Psyche: Er zeigt sich übergewichtig und aufgedunsen, ausdruckslos und depressiv, aber auch in Aufregung und Angst versetzt wie in der späten „Paranoia“-Folge. In „Hanno’s Tod“ (1972), einer Folge von 23 in ihrer Suggestivkraft unübertroffenen Selbstporträts, wird sein Gesicht zur Seelenlandschaft, das der Künstler wie ein Naturkundler bereist.


Eros und Thanatos

Eros ist in Janssens Werk nicht ohne Thanatos zu denken, die Liebe nicht ohne den Tod und das Schöne nicht ohne das Morbide. Sie markieren ein ganz zentrales Spannungsfeld, das Janssen zeitlebens in immer neuen Variationen durchmisst. Der weibliche Körper ist Objekt der Begierde, aber auch Spiegel inneren Erlebens. Mal breitet er ihn aus wie eine Landschaft, mal übersetzt er ihn in eine fast abstrakte technische Apparatur, oft gewaltsam verrenkt und in Einzelteile zergliedert. Frivole Erotik steht neben bedrohlicher Begierde, anmutige Schönheit neben existenzieller Zerrissenheit. Janssens Blick ist selten zärtlich, oft hemmungslos lüstern und gelegentlich sezierend kühl wie der des Chirurgen.

Bild und Schrift

Janssen war ebenso bild- wie wortgewaltig. Sprachgewandt und beobachtungssicher hält er Reden und schreibt Texte, fertigt kleine Miniaturen und lange Pamphlete, skizziert seine Zeitgenossen und seziert den Zeitgeist. Die Formen sind fließend: Illustrierte Briefe oder kommentierte Zeichnungen, Plakate mit langen Texten wie Wandzeitungen – Janssen löst auch hier gern die Grenzen zwischen den Gattungen auf.

Janssen wollte nicht nur ‚hohe‘ Kunst schaffen, sondern unmittelbar die Menschen erreichen. Er war beseelt von einem aufklärerischen Impuls. Zeitlebens hat der virtuose Graphiker mehr als 150 Plakate und zahlreiche Postkarten gestaltet. Sie decken das gesamte Spektrum an Techniken, Stilhöhen und Motiven ab und zieren bis heute zahllose Wohnräume und Büros.

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