Henri Matisse

Henri Matisse: „La Capeline de paille d´Italie“ (1923)

Die Lithographie zeigt eine Frau mit einem großen Hut, der in einer schwungvollen Acht ihren versonnenen Blick rahmt und hervorhebt. Wie ein Echo betonen Blumen links und rechts auf der Außen- und der Innenseite der breiten Krempe die beiden Augen und lenken den Blick des Betrachters auf den ihrigen, über dem eine sanfte Schwermut liegt. Nach unten hin nehmen das Oval des Halsausschnitts und der Kette die Kopfform auf.

Mit weichen, kreidigen Strichen konturiert Matisse die Figur und modelliert mit gekonnten Hell-Dunkel-Akzenten den Körper in seiner Sinnlichkeit. Über allem aber liegt die große, arabeske Linie, die Acht des Hutes und das Oval von Kopf, Kette und Halsausschnitt, die der Komposition einen zarten Duft verleihen, sie halten und tragen. 

Zur Druckgraphik kam Matisse vergleichsweise spät. Erst mit über 30 Jahren begann er, ein umfangreiches, rund 800 Arbeiten umfassendes Oeuvre zu schaffen, das sich in Schüben regelrecht entlud. Nach seinem Umzug nach Nizza entstanden dort ab 1922 in nur acht Jahren rund 100 Lithographien, vornehmlich Frauenporträts und weibliche Akte. Anders als etwa Pablo Picasso und Max Ernst war die Druckgraphik für ihn kein Experimentierfeld, um seine künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten zu erweitern. Sie blieb letztlich ein Zeichnen mit anderen Mitteln, und das in höchster Vollendung.

Henri Matisse (1869-1954) zählt gemeinsam mit Pablo Picasso zu den virtuosesten und vielseitigsten Künstlern der Moderne. Malerei, Zeichnung, Druckgraphik, Buchkunst, Wanddekorationen und sogar Bildhauerei betrieb der Künstler, der ursprünglich Jura studiert hatte und erst während einer längeren Erkrankung seine eigentliche Berufung entdeckte.

Was auch immer er in Angriff nahm, gelang. Der Begründer des Fauvismus entwickelte eine vereinfachende, resümierende Formensprache und befreite die Farbe von der Gegenstandsbeschreibung. Je älter er wurde, desto souveräner: Kaum ein anderer Künstler hat sich bis ins hohe Alter immer wieder neue Dimensionen erschlossen wie Henri Matisse. Mit den Scherenschnitten seines Spätwerks fand er schließlich die Möglichkeit, „in einer einzigen Geste die Linie mit der Farbe zu assoziieren“, wie er es selber formulierte. 

In den verschiedensten Gattungen und Techniken kreist Matisse um das Verhältnis von Figur, Raum und Fläche. Die Licht- und Schattenspiele seiner schweren Bronzegüsse, die strahlenden Farben seiner Gemälde und die arabeske Linienführung seiner Graphik definieren Figur und Umraum, überführen sie ins Ornamentale und bisweilen an die Grenze zur Abstraktion. 

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