Friedrich Schröder-Sonnenstern

Heiter in der figürlichen Formensprache und nuancierten Farbgebung, verstörend in den Inhalten: Schröder-Sonnensterns Bildwelten sind ebenso naiv wie exzentrisch. Seine wohlgeordneten Zeichnungen, überwiegend in Bunstift, mit klaren Konturen und flächigen Formen, füllt er mit phantasmagorischen Motiven. Mischwesen aus Mensch und Tier, unverhohlen sexuelle Anspielungen, erotische Exzesse und zu Geschlechtsteilen mutierte Körperteile wie Nasen und Ohren verschreckten ein bürgerliches Publikum und sicherten ihm gleichzeitig die Wertschätzung von Künstlerkollegen.

Schröder-Sonnensterns synkretistische Tableaus schöpfen aus christlichen ebenso wie okkulten Bildwelten. Sein Hang zur Provokation ist mehr als nur eine Lust am Tabubruch. Oft weisen die Bildtitel auf eine andere Art von Moral hin, die gleichzeitig die Verlogenheit der bürgerlichen entlarvt. So geißelt etwa die an die große babylonische Hure erinnernde „moralische Kurfürstendammsau“ (1965) die bürgerliche Ablehnung von Prostitution, deren Dienste gleichwohl bereitwillig angenommen werden. „Die moralische Atombombe“ (1960) gießt die atomare Bedrohung in die Bildsprache der Erotik und offenbart damit das Wettrüsten als Kriegslüsternheit.

Aus Schröder-Sonnensterns Perspektive, der mehrfach an gesellschaftlichen Normen gescheitert ist, stellt sich die Welt als „Narrenschiff“ (1969) dar, eine berühmte frühneuzeitliche Allegorie Sebastian Brants. In dem fast niedlich anmutenden, mit als Matrosen verkleideten Schweinchen bevölkerten Bild steckt jedoch eine harsche Kritik an menschlichem Verhalten, das er als buchstäbliche Schweinerei anprangert.

Friedrich Schröder-Sonnenstern ist einer der bekanntesten Vertreter der so genannten Outsider Art. Als Künstler ist er ein vergleichsweise Spätberufener: Erst mit 57 begann er zu zeichnen und entwickelte rasch seinen eigenen, unverwechselbaren Stil.

Am 11. September 1892 in Kaukehmen bei Tilsit (Ostpreußen) als Friedrich Schröder als zweites von insgesamt dreizehn Kindern geboren, waren seine Kindheit und Jugend bereits von häuslicher Gewalt und Alkoholmissbrauch geprägt. Nach wechselnden Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken und Erziehungsanstalten wurde ihm schließlich eine psychische Erkrankung attestiert, die zu seiner Entmündigung führte.

1919 floh er nach Berlin, wo er sich mit Okkultismus beschäftigte und als Heiler und Wahrsager eine Sekte gründete. Er verteilte seine Einnahmen, darunter auch Brötchen, an Bedürftige, was ihm den Spitznamen „Schrippenkönig von Schöneberg“ einbrachte. Die unnachahmliche Mischung aus Scharlatanerie und Schabernack, Prophetie und Predigertum prägte auch seine Kunst.

Erste Zeichnungen fertigte er bereits 1933 während eines Psychiatrieaufenthalts in Neustadt in Holstein an, wo er den Künstler Hans Ralfs kennenlernte. Doch erst seit Ende der 1940er Jahre widmete er sich ganz der Kunst, mit der er bald international Erfolge feierte und 1959 an der Pariser Surrealistenausstellung teilnahm. Er führte einen regelrechten Werkstattbetrieb und wurde von renommierten Weggefährten gesammelt und hochgeschätzt, darunter Pablo Picasso, Max Ernst, André Breton, Marcel Duchamp, Friedensreich Hundertwasser und Hans Bellmer.

Nach der großen Erfolgswelle verlor er nach dem Tod seiner Lebensgefährtin Martha Möller 1964 zunehmend den Halt, verarmte, wurde wohnungslos und alkoholabhängig. Nachdem zahlreiche Kopien und Fälschungen in Umlauf kamen, wandte sich auch der Kunstmarkt von ihm ab.

Er starb am 10. Mai 1982 im Alter von 89 Jahren in Berlin, nahezu vergessen. Wiederentdeckt wurde er 2013 auf der Biennale von Venedig.

Zahlreiche Einzelausstellungen, u.a. Mönchehaus Museum Goslar (2022), Städtische Galerie Villa Zanders, Bergisch-Gladbach (2015), Kestner-Gesellschaft Hannover (1973), Städtische Kunsthalle Düsseldorf (1967). Teilnahme an der Biennale von Venedig (2013), an der Ausstellung „Phantastische Kunst in Deutschland“, Kunstverein Hannover (1968), und an der „Exposition Internationale du Surréalisme“, Galerie Daniel Cordier, Paris (1959).

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